Altersgrenzen sind ein beliebtes Mittel, um Arbeitnehmer frühzeitig in Ruhestand zu schicken. Beispiels-weise wird in Dienstverträgen vereinbart, dass sich die Vertragsparteien vorbehalten, „mit ihrem Eintritt in das 61. Lebensjahr das Dienstverhältnis durch eine einseitige Erklärung mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende zu beenden.“

Liegt eine solche Klausel zur rechtlichen Überprüfung vor, so zählt oft auch § 10 AGG zu den einschlägigen Vorschriften, anhand derer eine solche Entlassungsregelung aufgrund des Eintritts in ein bestimmtes Lebensjahr, überprüft wird.

Die Frage, die sich hier zunächst stellt ist, ob das AGG überhaupt Anwendung findet oder es nicht schon von vornherein ausgeschlossen ist, weil beispielsweise die Regelung vor Inkrafttreten des AGG vereinbart wurde.
Der BGH hat in seinem Urteil vom 26.03.2019 entschieden, dass das AGG (in Kraft getreten am 18.08.2006) auch dann Anwendung finden soll, wenn bereits vor dem 18.08.2006 die Klausel bezüglich einer Entlassung aufgrund Erreichens einer bestimmten Altersgrenze vereinbart wurde, die Altersgrenze aber erst nach Inkrafttreten des AGG erreicht wird. Das bedeutet, auch wenn vor dem 18.08.2006 eine Regelung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffen wurde, die eine Entlassung aufgrund des Erreichens einer bestimmten Altersgrenze vorsieht, ist eine rechtliche Überprüfung anhand des AGG nicht automatisch ausgeschlossen. Anderes gilt nur, wenn auch vor Inkrafttreten des AGG die entsprechende Altersgrenze bereits erreicht wurde.

Das Problem, das sich in den vorliegenden Fall allerdings stellte war, ob die Überprüfung einer solchen Vereinbarung zur Entlassung aufgrund Erreichung einer gewissen Altersgrenze nach AGG auch dann gegeben ist, wenn es sich um einen Fremdgeschäftsführer einer GmbH handelt. Denn sollte dieser nicht als Arbeitnehmer anzusehen sein, so könnte die Überprüfung einer solchen Vereinbarung von vornherein ausgeschlossen sein, da Entlassungsbedingungen nicht vom Anwendungsbereich des § 6 III AGG erfasst sind. In § 6 III AGG ist lediglich geregelt, dass die Vorschriften über den Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung nur für Selbstständige und Organmitglieder entsprechende Anwendung finden, sofern es sich um den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg handelt, was bei Entlassungsbedingungen gerade nicht der Fall ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht bei europarechtskonformer Auslegung des § 6 III AGG.

Aufgrund von europarechtskonformer Auslegung kann allerdings am Begriff des Arbeitnehmers ge-schraubt werden. Der BGH hat in seinem Urteil festgehalten: „Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH ist aber bei europarechtskonformer Auslegung jedenfalls insoweit als Arbeitnehmer i.S.v. § 6 I 1 Nr. 1 AGG anzusehen, wie bei einer Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags der sachliche Anwendungsbereich des AGG über § 2 I Nr. 2 AGG eröffnet ist.“
Das bedeutet, sofern der Anwendungsbereich über § 2 I Nr. 2 AGG eröffnet ist (wegen Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrages), ist auch der Fremdgeschäftsführer einer GmbH als Arbeitnehmer zu sehen, sodass eine Überprüfung einer Vereinbarung zur Entlassung aufgrund Erreichung einer gewissen Altersgrenze auch hier möglich ist. Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH unterliegt weitestgehend den Weisungen der Gesellschaftsversammlung, sowie der Überprüfung durch den Aufsichtsrat. Hierdurch ist er in seiner Aufgabenwahrnehmung weisungsgebunden und somit als Arbeitnehmer zu qualifizieren.
Sprich auch hier ist es nicht ausgeschlossen, dass eine Kündigung aufgrund Erreichens einer gewissen Altersgrenze (selbst wenn dies vertraglich vereinbart ist) den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt, sodass die Vereinbarung unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund einer ausgesprochenen Kündigung aus diesem Grude beendet wurde.

 

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